Auslandsprogramm des BZBS - Auslandsaufenthalt heisst Komfortzone verlassen 17.02.2025
Seit 2013 organisiert das Berufs- und Weiterbildungszentrum Buchs (BZBS) Austausche mit ausländischen Berufsschulen. Letzten Herbst ging es für interessierte Lernende nach Tampere (Finnland) und Prag (Tschechien). Im Interview erklären zwei Teilnehmer ihre Motivation, Erkenntnisse und geben einen Einblick in ihren Alltag in der Ferne.
Alleine wohnen, weit weg von der behüteten Schweiz. Trotz gewohntem Arbeitsumfeld eine andere Sprache sprechen, mit Fremden arbeiten an unbekannten Maschinen – genau diese Erfahrung haben Gian Signer (19) Konstrukteur bei Starrag AG und Simon Dutler (19) Metallbauer bei Lippuner AG machen dürfen. Die beiden sind zwei von insgesamt fünf Teilnehmer, die vergangenen September nach Tampere reisten und dort in den Berufs- und Schulalltag ihrer jeweiligen Professionen tauchen durften.
Warum habt ihr euch entschieden, an diesem Auslandprogramm mitzumachen?
Gian: Ich wollte ein anderes Arbeitssystem und Mentalität kennenlernen und Eigeninitiative übernehmen, wie beispielsweise für eine bestimmte Zeit den Haushalt selbst zu schmeissen. Das Programm und die gute Unterstützung der Schule haben mir das möglich gemacht.
Simon: Mich hat ein solche Austausch schon länger gereizt. Ich wollte neue Erfahrungen sammeln und herausfinden, wie der Metallbau in Finnland funktioniert. Zudem war es für Gian und mich der erste Flug.
Wie hat euer Alltag in Tampere ausgesehen?
Gian: Grundsätzlich waren wir dort, um zu arbeiten. Nach einem Einführungstag durften wir in der Schule in den Werkräumen selbst Hand anlegen. Im Unterschied zur Schweiz, werden die Lernenden nicht zur Arbeit «gezwungen», sondern können sich selbst Projekte aussuchen und dann selbstständig arbeiten. Speziell war zudem, dass keine fixen Arbeitszeiten vorgegeben werden.
Simon: Meistens hatten wir gegen 15 Uhr Feierabend und haben einen Ausflug gemacht, die Stadt erkundet, sind ins Kino, Mini-Golf spielen oder einfach nur gemütlich zusammen gekocht.
Wie unterscheidet sich die finnische Lehre mit der schweizerischen?
Gian: Die Lernenden sind nirgends angestellt und in einem dualen System in der Berufsschule und einem Lehrbetrieb wie in der Schweiz. Es gibt riesengrosse, staatlich finanzierte Schulen, die aber sehr praxisorientiert ausgerichtet sind. Sie sind also während der Lehre nicht in der Privatwirtschaft, machen höchstens Praktikas in verschiedenen Betrieben.
Simon: Neben den Schulwerkstätten befinden sich auf dem Campus aber auch Unterrichtsräume, nur sind die Fächer breiter gefächert als bei uns. So haben die meistens beispielsweise auch Wirtschaft oder Englisch während der Lehre.
Und welche Art Lehre gefällt euch besser?
Simon: Zwar gewährt man den finnischen Lernenden mehr Freiräume und achtet meiner Meinung nach auch mehr auf die mentale Gesundheit der jungen Erwachsenen – jedoch erhalten die Lernenden keinen Lohn und haben viel für mich fast zu viel Puffer-Zeiten.
Gian: Mir hat die fehlende Kontrolle auch gefehlt. In Finnland ist es fast normal «tote Zeit» zu haben – mal wartet man auf einen Auftrag, mal auf einen Lehrmeister. Das geht in der Schweiz um einiges speditiver. Mir spricht das Schweizer Lehrsystem mehr an.
Finnland gilt als sehr freundliches und zuvorkommendes Land. Wie habt ihr das empfunden?
Gian: Ich habe die finnischen Menschen als sehr entspannt und gesellig wahrgenommen. Mich hat überrascht, wie hoch das Englisch-Niveau der finnischen Lernenden war.
Simon: Die Finnen hatten wirklich Freude, dass wir da waren. Sehr schön fand ich, dass wir sogar kleine Geschenke, ein Schweisser-Käppli, gekriegt haben. Ich habe mich sehr wohl gefühlt.
Würdet ihr das Auslandprogramm weiterempfehlen?
Gian: Ich würds jedem empfehlen, ein solches Auslandprogramm zu machen, um auch andere Arbeitssysteme kennenzulernen und zu erkennen, dass auch diese funktionieren. Selber würde ich jetzt aber nicht noch einmal gehen (lacht).
Simon: Eben weil man die eigene Komfortzone verlassen muss, rate ich allen, auch einmal teilzunehmen. Ich habe zum Beispiel zum ersten Mal in meinem Leben meine Wäsche selber gemacht!
Machbar dank Movetia
Unterstützt wird das Austauschprojekt von der Stiftung Movetia. Die Agentur zur Förderung von Austausch und Mobilität im Bildungssystem beteiligt sich mit einem Beitrag an die Reise und den Aufenthalt der Lehrlinge und der Lehrpersonen im Ausland. «Das Interesse des Auslandes an unserem Berufsbildungssystem wächst, der Erfahrungsaustausch ist von grosser Bedeutung. Die Schulung internationaler Handlungskompetenzen ist gefragter denn je, mit Unterstützung des BZBS können sich interessierte und motivierte angehende Berufsleute darin ein erstes Mal üben. Im nächsten Jahr wird das Programm – hoffentlich – wiederholt», erklärt Peter Keller, Leiter Grundbildung und Prorektor am BZBS.